Kontrolleure finden regelmäßig Lebensmittelfälschungen

"Authentisch ist nur der Gemüsegarten"

In seinem Labor landen die Stichproben der amtlichen Lebensmittelkontrolleure: Axel Preuß leitet das Untersuchungsamt in Münster und spricht über Lebensmittelimitate, strenge Lebensmittelkontrolleure und authentische Nahrungsmittel.
Das Chemisches und Veterinäruntersuchungsamt Münsterland-Emscher-Lippe prüft jedes Jahr rund 14.500 Stichproben, die Lebensmittelkontrolleure im Landkreis Münster bei Herstellern und Händlern mitnehmen. Darunter sind verpackte und unverpackte Lebensmittel, aber auch Spielzeug, Kleidung und Reinigungsmittel. Eine 200-Gramm-Packung Schinken bleibt bis zu sechs Wochen im Labor: Die 45 Mitarbeiter untersuchen beispielsweise, ob die Nährstoffe auf dem Etikett mit denen im Lebensmittel übereinstimmen oder ob es durch Bakterien, Schimmel und Rückstände von Pflanzenschutzmitteln oder Umweltgiften verunreinigt ist.

WDR.de: Hat Sie der Skandal um Lebensmittelimitate bei Käse und Schinken überrascht?

 
Axel Preuß: Nein, überhaupt nicht. Täuschungen des Verbrauchers kommen in der Lebensmittelbranche seit Jahrzehnten vor. Auch bei uns landen regelmäßig Lebensmittelimitate, wie Stracciatella-Eis ohne Schokostückchen, Wurst ohne ausreichend Muskelfleisch, Käse ohne Milchbestandteile. Wir haben schon Oliven gesehen, die mit künstlicher Paprika gefüllt waren. Wenn das korrekt auf dem Etikett steht und sich der Kunde entscheiden kann, ist das kein Problem. Schließlich sind Imitate gesundheitlich unbedenklich und haben auch einen ähnlichen Nährwert. Wenn die billigere Zutat allerdings auf dem Etikett anders angeboten wird, ist es eine Täuschung.
 
WDR.de: Wie kann sich der Verbraucher schützen?

Preuß: Er muss genauer lesen, nicht nur das Preisetikett, auch das Zutatenverzeichnis. Wenn in der Liste kein Milchbestandteil, sondern Pflanzenfett und Soja auftauchen, weiß er, dass es sich nicht um Käse handelt. Die Etikettierung halte ich für ausreichend. Das Problem sind eher die unverpackten Lebensmittel, beim Metzger, Bäcker und in der Gastronomie. Da kann der Kunde zur Zeit nicht entscheiden, ob echter Käse auf dem Brötchen ist oder ein Ersatz. Der Verbraucher muss vor Ort nachfragen. Aber grundsätzlich verkauft in Deutschland keiner gesundheitsschädigende Lebensmittel, da geben sich alle Mühe.

WDR.de: Wie soll der Verbraucher den Gastwirten trauen? Bei den staatlichen Kontrollen fällt seit Jahren jeder vierte Betrieb durch mangelhafte Hygiene auf.

 
Axel Preuß leitet das Amt
Preuß: Ich habe selbst viele Betriebskontrollen gemacht: Die Kriterien sind einfach sehr streng. Ein älterer Holzkochlöffel, von dem sich ein Splitter lösen könnte; Eierschalen, die jemand nicht sofort weggeworfen hat, ein schmutziges Küchenhandtuch unter vielen frischen - all das notieren Lebensmittelkontrolleure sofort als Hygienemangel. Dabei kann es verständliche Gründe geben, warum ein schmutziges Küchenhandtuch nicht sofort im Wäschekorb landet. Der Betrieb muss wirklich blitzsauber sein.
 
WDR.de: Auch der industriellen Fertigung trauen viele Menschen nicht über den Weg - zu viele künstliche Aromastoffe, zu viele Geschmacksverstärker. Sind industriell gefertigte Lebensmittel überhaupt noch gesund?

Preuß: Viele Leute sagen, wenn ich auf dem Markt beim Bauern kaufe, ist das das Authentischste überhaupt. Wenn ich als Wissenschaftler genau hinschaue, stimmt das einfach nicht. Vom Standpunkt der Gesundheit ist eine industrielle Großproduktion besser für den Menschen. Die Hersteller strengen sich an, die Lebensmittel sind sicher wie nie zuvor. Natürlich stellt die Lebensmittelindustrie eine Standardqualität her. Sie schmeckt immer gleich, ist aber sicher. Die Hersteller wollen doch kein Risiko eingehen bei ihrer Produktion, weil sie dann für alle Schäden haften müssen. Mir persönlich ist Sicherheit wichtiger als die Vielfalt der Geschmackerlebnisse. Wer etwas Individuelles braucht, kann doch zu Hause mit handverlesenen Zutaten kochen.

WDR.de: Wie authentisch können denn Lebensmittel heutzutage überhaupt noch sein?

 
Preuß: Authentisch ist im Grunde nur der eigene kleine Gemüsegarten. Auch die Obst- und Gemüsesorten auf Wochenmärkten werden nur nach Ertrag angebaut und nicht nach Geschmack und Aroma. Sie können fast keine ordentlich schmeckende Tomate mehr kaufen. Die Früchte sind natürlich trotzdem echt, weil sie an Bäumen, Sträuchern und auf dem Acker wachsen. Auch hier sind industriell gefertigte Produkte objektiv höherwertiger als die Natur. Tiefgekühlte Erbsen beispielsweise können Sie auf dem Markt niemals so frisch bekommen. Tiefkühlerbsen werden spätestens fünf Stunden nach der Ernte eingefroren. Diese Erbse ist authentischer, als wenn der Bauer sie mehrere Tage bei irgendeiner Witterung lagert und auf den Markt karrt.
 
WDR.de: Können Sie nach all den Jahren als Lebensmittelkontrolleur noch entspannt ins Restaurant gehen?

Preuß: Ich habe wegen meiner Arbeit nicht die Freude am Essen verloren. Natürlich kenne ich unsere Ergebnisse und bin auch vorübergehend in die eine oder andere Eisdiele nicht gegangen. Aber ich weiß, dass Fehler mal vorkommen. Ich kann Lebensmittel vor allem auch deswegen genießen, weil ich weiß, dass sie tatsächlich noch nie so eine hohe Qualität hatten wie heute - zumindest was die Gesundheit betrifft.

Das Interview führte Martina Züger

Kommentare zum Thema:

  • Monty schrieb am 17.07.2009, 15.14 Uhr:

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    Das Interview fand ich sehr interessant und informativ, und ich glaube auch, dass man heute trotz Gammelfleisch, Imitaten und ähnlichen Sachen gesund leben kann. Ich koche täglich frisch (ebenfalls trotz 40-Stunden-Woche) und lese bei jedem Lebensmittel, das ich kaufe, aufmerksam die Zutatenliste. Und ab und zu lese ich im Internet verschiedene Sachen nach, z.B. worauf ich achten muss oder welche Zutat sich wohinter versteckt. Erst heute im Supermarkt wieder zwei negative Beispiele: 1. ein "Balsamico-Essig-Mix", erste Zutat: Trinkwasser. Und 2. ein Pizza-Gewürz in der Mühle, erste Zutaten: Geschmacksverstärker, Hefe. Klar, dass ich so etwas nicht kaufe. Vielleicht sollten manche Leute ihre Geiz-ist-geil-Einstellung ablegen und beim Einkaufen das Hirn einschalten, dann könnte man solche Sachen leicht verhindern.
     

  • Gutes Eis schrieb am 17.07.2009, 13.20 Uhr:

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    Als Eisdielenbesitzer muss ich hier ein Veto einlegen: Wir achten sehr auf Hygiene in der Produktion und vor allem die Qualität unserer Zutaten. Unser Eis wird nicht mit Wasser und Pulver angerührt, wie viele es heute machen! Und unsere Kunden schmecken auch genau diesen Unterschied. Die im Jahr mehrfach durchgeführten Kontrollen des städtischen Ordnungsamtes bestätigen uns ein einwandfreies Eis. Als Lebensmittelkontrolleur sollte Herr Preuß von solchen Einzelbeispielen absehen. Damit zieht man schnell mal eine ganze Branche in den Schmutz...schwarze Schafe, die sich nur auf Kosten anderer bereichern wollen, gibt es schließlich in allen Bereichen. Denken wir nur an Fleisch und Co.
     

  • Demokratin for ever schrieb am 17.07.2009, 12.48 Uhr:

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    @Hetali bei mir, ich koche trotz 40 Std. Woche, jeden Abend frisch. Natürlich, wie jetzt im Sommer gibt es eher was leichtes, aber immer frisch zubereitet. Ich vertraue der Lebensmittelindutrie schon lange nicht mehr. Ich vertaue auf meine langjährige Erfahrung, wie ein frisches Lebensmittel ausschauen und riechen muss. Im Supermarkt kaufe ich nur noch Grundnahrungsmittel, aber keine frischen Produkte, die kaufe ich seit zig Jahren direkt beim Bauern. Ich kann H. Preuss nicht in allen Punkten zustimmen, denn die Konservierungsstoffe, die in vielen Produkten beigemischt werden, bestimmt doch nicht H. Preuss, sondern die Politik und die sind oft zu hoch und gesundheitschädlich. Ich finde es nicht normal, wenn ein Joghurt oder Käse etc. 14 Tg. und länger hatlbar sind. Oder unsere gute frische Milch, frische???? Also ver......en kann ich mich alleine.
     

  • Jürgen Strauch schrieb am 17.07.2009, 12.10 Uhr:

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    Die Problematik bei unserer Ernährung ist die, das der Großteil der Menschen, nicht selbst für die Ernährung sorgen kann, aus welchen Gründen (Platz, Zeit und Gelegenheit) auch immer. Es muß umvereilt werden, die Herstellung und Zubereitung. Die sich daraus ergebende GewinnSucht hat uns in das Dilemma gestürzt. Unsere Einstellung zur Er- nährung ist auch durch die Ver- gangenheit geprägt(man hatte ja nichts). Sattwerden war die Devise, gut war es, wenn das Schnitzel über den Tellerrand hing. Der eigentliche Grund warum wir essen müssen, ging verloren, die Aufnahme von Nährstoffen, damit das Wunderwerk "Körper" funktioniert. Sicherlich ist ein gutes Essen in der Familie oder mit Freunden sehr wichtig, nur wer hat heute die Zeit, sich mit den positiven und den negativen Inhalts-stoffen auseinander zu setzen und vorallem das Geld, danach aus- zusuchen. Wir sind also "abhängig" und was mit unserem Vertrauen(?) geschieht, sieht man an unserem "Krankheitssystem". Das wird uns noch Koste
     

  • belial schrieb am 17.07.2009, 12.07 Uhr:

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    Meine persönliche Geschichte: Ich bin jetziger Ruhrgebietler, aufgewachsen aber auf dem Land. Schweine- u Hühnerstall am Haus(Hausschlachtung), alles Essbare selbst erzeugt, die Milch kam DIREKT vom Bauern, bevor sie in die Molkerei ging. Nun hatte ich vor längerer Zeit immer mal wieder fürchterlliche Allergie- Quaddeln; das ging bis zum Allergischen Schock. Hautärzte fanden keinen Auslöser, denn sogar Wespenstiche zeigen bei mir kaum Rötung. Ich überprüfte meine Essgewohnheiten und stellte fest, daß ich berufsbedingt ab und an mal eine Woche oder länger mich mit einer Knackwurst zwischendurch ernährte. Musste oft zur Bahn sprinten, schwitzte und an den Schweißstellen begann das Elend. Bei "Genuss" einer Knackwurst in größerem Abstand wäre das nicht aufgefallen. Die gleichen Symptome habe ich bei ASS, beim Billig-Mitbewerber aber nicht. Wieviele Menschen sind vielleicht also allergisch gegen künstliche Zusatzstoffe? Und erzähl mir keiner, dass im Tierfutter keine Arzneimittel stecken

  • Stand: 17.07.2009

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